Obwohl die Kinder des Waldkindergartens Schnirkelschnecke in Erlenstegen erst zwei bis sechs Jahren alt sind, wissen sie schon um die größere Bedeutung des Waldes: “Da gibt es Sauerstoff. Der riecht gut. Ohne Wald kein Sauerstoff, dafür viel CO₂”, erklärt der sechsjährige Jakob.
Jonathan (sechs Jahre alt) zählt beim Frühstück im Wald sämtliche Bewohner auf – von der Maus über den Eichelhäher bis zum Wildschwein und Fuchs (“wobei ich die letzten beiden noch nicht selbst hier gesehen habe”). Die dreijährige Ida und die sechs Jahre alte Maria-Elena sind ebenfalls die perfekte Begleitung beim Waldspaziergang: Sie beschreiben Pilzarten, von denen manch ein Erwachsener in der Nürnberger Innenstadt vermutlich noch nicht einmal den Namen kennt.
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Veränderungen tagtäglich erlebbar
“Während andere Nürnberger am Wochenende ,mal raus ins Grüne’ oder ,raus in die Fränkische Schweiz’ fahren, haben wir die Natur täglich um uns, bei jedem Wetter außer wenn es gefährlich stürmt”, sagt Kindergartenleiterin Susanne Moessner, “dementsprechend kriegen wir Schönheiten genauso wie die Veränderungen hautnah mit.” Eines Tages in 2019 waren für die Kinder zum Beispiel die großen Kiefern, die sie vor übermäßiger Sonne oder schlechtem Wetter beschützten, nicht mehr da.
Eure Fragen:
Was leistet eigentlich so ein Wald?
Ein Wald mit einer Fläche von 100 x 100 Metern (=1 Hektar; und damit größer als ein Fußballfeld) nimmt rund 13 Tonnen CO₂ auf – etwas weniger als zwei Menschen in Deutschland pro Jahr verursachen (2019: 7,9 Tonnen pro Person).
Laubwälder dieser Größe produzieren zugleich 15 Tonnen Sauerstoff im Jahr, Nadelwälder sogar 30 Tonnen. Außerdem filtert besagte Waldgröße laut den Bayerischen Staatsforsten bis zu 50 Tonnen Ruß und Staub pro Jahr aus der Atmosphäre.
Die Trockenheit hatte sie ausgetrocknet und damit für die Kinder des Waldkindergartens Schnirkelschnecken in Erlenstegen gefährlich gemacht. Die Motorsäge musste ran. Dem Lieblingskletterbaum der Kinder erging es nicht anders: “Die Sal-Weide war ein prächtiger Kletterbaum für die Vorschulkinder. Stolz saßen sie dann in der vier Meter hohen Krone”, erinnert sich Kindergartenleiterin Susanne Moessner. Inzwischen hat er laut ihr “mindestens die Hälfte seiner Äste verloren”.
Natürliche Klimaanlage für die Nürnberger:innen
Für die Kinder Spielzimmer, für Tiere Lebensraum, für viele Nürnbergerer:innen Naherholungsgebiet, obendrein noch Wirtschaftsfaktor sowie (Grund-)Wasserspeicher und für die Stadt im Allgemeinen natürliche Klimaanlage. Doch je nachdem wir stark und schnell sich unser Klima verändert, womöglich nicht mehr lange. “Im Schatten ist es kühler als im gleißenden Sommerlicht. Das kennt jeder von heißen Sommertagen. Hinzukommt, dass im Wald Wasser verdunstet, das die Bäume zuvor über den Boden aufgenommen haben. Und weil ein Wald kein geschlossener Raum ist, zirkuliert die Luft, sodass man wie bei einem Ventilator die subjektive Wahrnehmung hat, dass es kühler – und eben auch ein bisschen feuchter – um einen herum ist”, beschreibt Dr. Klaus Köppel, Leiter des Nürnberger Umweltamtes den kühlenden Effekt eines Waldes. An heißen Sommertagen könne der Unterschied zwischen der Stadt und beispielsweise einem Park laut dem Amtschef bis zu acht Grad betragen.
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Künstlich erzeugter „Steckerlaswald”
Der Nürnberger Reichwald hat also viele Funktionen und eine lange Historie. Denn bis zum 14. Jahrhundert sah der Nürnberger Wald noch ganz anders aus als heutzutage: Die Eiche war die dominierende Baumart. Übernutzung und Brandrodung führten jedoch dazu, dass davon im 14. Jahrhundert nur noch sandige Ödflächen übrig waren.

Auf diesem Boden war eine Neuaufforstung mit langsam wachsenden Laubbäumen super schwierig. Der Nürnberger Ratsherr und Montanunternehmer, Peter Stromer, bemühte sich, den Wald möglichst schnell wieder wirtschaftlich nutzbar zu machen. Seine Lösung: Er brachte die Nadelbäume nach Nürnberg. Die Samen von Kiefern und Fichten gingen auf. Peter Stromer hatte mit dem typischen “Steckerlaswald” den ersten künstlichen Forst der Welt geschaffen und die nachhaltige Forstwirtschaft erfunden.
Eure Fragen:
Wie viel Wald gibt’s in/ um Nürnberg überhaupt – früher und heute?
Der Nürnberger Reichswald umfasste Anfang des 19. Jahrhunderts rund 32.000 Hektar. Abholzung und immer neuen Siedlungen im Reichswald wurde in den 1980er Jahren ein Riegel vorgeschoben, in dem die Politik begann, den Wald verstärkt unter Schutz zu stellen. So dürfen die verbliebenen die verbliebenen knapp 25.000 Hektar Bannwald nicht weiter verringert werden (nimmt man an einer Stelle etwas weg, muss anderswo nachgeforstet werden) und zudem ist die Fläche inzwischen komplett Teil des Natura-2000-Netzwerkes und als EU-Vogelschutzgebiet “Nürnberger Reichswald” ausgewiesen.
Wem gehört der Reichswald eigentlich?
Der Großteil der Fläche ist heutzutage im Besitz des Freistaats Bayern. Gerade einmal 230 Hektar liegen im Stadtgebiet (unter anderem im Tiergarten). Darum kümmern sich neben dem Tiergarten (städtischer Waldbesitz) auch die Bayerischen Staatsforsten mit dem Forstbetrieb Nürnberg (staatlicher Besitz).
Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth bzw. Roth (kurz: AELF) unterstützen als Naturschutz-Behörde Gemeinden und Privatleute in diversen Forstfragen.
Allerdings ist nur ein Bruchteil des Nürnberger Reichswaldes in der Hand von Privatleuten. Ein weiterer Ansprechpartner für sie ist zum Beispiel die Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Nürnberger Land. Deren Geschäftsführer, Michael Müller, berichtet, dass ein Großteil der privaten Waldbesitzer in Bayern nicht mehr als drei Hektar Forst besitzt.
Bis heute machen Kiefern und Fichten, die ursprünglich aus Nordeuropa stammen, mehr als 80 Prozent aller Bäume im Reichswald aus – und gerade sie sind durch den Klimawandel am gefährdetsten. Weshalb ist das so?
Baumarten sind unterschiedlich „leidensfähig”
Stürme und Unwetter häufen sich. Flachwurzler wie Kiefern und Fichten, also Bäume, deren Wurzeln eher in die Breite statt in die Tiefe gehen, werden da schnell zum Spielball der Gewalten. Unabhängig davon hat jede Baumart Temperaturen, bei denen sie besonders gut gedeihen kann. Während heimische Laubbäume wie Buche und Eiche im mittleren Bereich ihrer Temperaturskala, Zerreiche sowie Edelkastanie sogar am unteren Ende liegen, seien Fichten und Kiefern seit 2014 am Anschlag, berichtet Dr. Christian Kölling, Bereichsleiter “Forsten” am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (kurz: AELF) Roth und der Experte schlechthin für Klima-Wald-Zukunftsforschung. “Wenn es so weitergeht, ist die Fichte in dieser Region nicht mehr zu retten”, meint Kölling, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt.
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Weshalb sind Hitze und Trockenheit so schlimm?
Der Boden ist irgendwann derart trocken, dass er auf- und dabei das Feinwurzelwerk der Bäume abreißt. Die ausreichende Wasserversorgung wird damit gekappt. Oder aber es ist so heiß, dass Bäume mehr Wasser über ihre Blätter verdunsten, als sie über den Boden nachziehen können. Die für uns Städter bekannteste Folge: Waldbrandgefahr.
Seit 2015 unter Stress
Seit dem Sommer 2015, der laut Deutschem Wetterdienst 2,2 Grad über dem internationalem Vergleichswert von 1960 bis 1990 lag, hat sich der “Gesundheitszustand” der Kiefern und Fichten stark verschlechtert. Nordbayern und Sachsen verzeichneten zum Beispiel laut dem DWD 2015 die trockensten Böden seit 50 Jahren.
Laut Dr. Christian Kölling, Leiter des Bereichs Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Roth sind die Symptome hauptsächlich eine rote/ rosafarbene Verfärbung des Stamms, die der Stress aufgrund Hitze und Trockenheit hervorruft. 2017 konnte sich der Wald durch eine Regenmenge von 305 Litern pro Quadratmentern (Soll: 239 Liter/ Quadratmeter) ein wenig regenerieren, bevor die deutschen Sommer 2018 und 2019 Hitzerekorde schrieben. Es waren nach 2003 die wärmsten Sommer seit 1981 in der Bundesrepublik Deutschland.
Internat. Durchschnittswert von 1961 bis 1990 | Ist-Wert 2018 | Ist-Wert 2019 | |
---|---|---|---|
Durchschnittstemperatur | 16,3 °C | 19,3 °C (+3,0 °C über Soll-Wert) | 19,2 °C (+2,9 °C) |
Sonnenstunden | 604 | 770 | 755 |
Niederschlag | 239 l/m² | 130 l/m² ( -46% zum Soll-Wert) | 179 l/m² (-25%) |
Trotz Regen in 2020 lechzt der Boden weiter nach Wasser
“Auch der vermeintlich milde Sommer 2020 war deutschlandweit durchschnittlich zwei Grad zu warm. Das hat man nur nicht so gemerkt, da es viel geregnet hat”, sagt Dr. Christian Kölling vom Forstamt in Roth. Die Folge laut dem Leiter des Nürnberger Umweltamtes Dr. Klaus Köppel: Die obersten 30 bis 50 Zentimeter des Nürnberger Waldbodens seien nun zwar wieder feucht, die Dürre darunter halte aber an.
Wald wächst deutlich langsamer als er stirbt
Dag Encke ist Leiter des Nürrnberger Tiergartens. Er betreut den (kleinen) Teil des Reichswaldes im Nürnberger Stadtgebiet und berichtet folgendes aus dem Tiergarten-Gelände: “Was uns besonders aufschreckte: Es ist zwar standortabhängig, aber einigen Bäumen im Reichswald konnten wir dieses Jahr beim Sterben zusehen: Von ,ist grün’ über ,sieht aber komisch aus’ bis ,ist tot’ vergingen gerade einmal sechs Wochen. Und ich rede dabei von der Buche. Sie war eigentlich ein Hoffnungsträger beim Waldumbau.” Eine mögliche Erklärung: Sie zieht aus der Tiefe ihr Wasser. Wenn dort keines mehr ist, wird’s eng.
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Schädlinge vermehren sich durch warme Sommer
Wer von der dauerhaften Erwärmung profitiert? Die Tierwelt – “vom Wildschwein bis zum Borkenkäfer”, berichtet Michael Müller, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land. Weshalb? Es gibt zum Teil mehr Populationen pro Jahr und mehr Jungtiere, die die milderen Wintermonate überstehen. Weitere Schädlinge wie Misteln oder schädliche Pilze, die den Bäumen Licht und Wasser entziehen, vermehren sich ebenfalls außergewöhnlich gut und nutzen die Schwäche der Bäume aus. Johannes Wurm, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in Nürnberg, ergänzt: “Einzelne Käfer sind für einen Baum kein Problem. Die kann er ausharzen. Wenn der Baum aber vorgeschädigt ist, wird’s schwierig.”


Und so macht besonders der Borkenkäfer Förstern und Waldbesitzern zu schaffen. Durch das warme Klima gibt es inzwischen zwei oder gar drei statt nur einer Generationen pro Sommer. Die Jungkäfer selbst können sich durch die derzeit warmen Sommer ebenfalls noch einmal vermehren und selbst bis zu drei Bruten anlegen. Das Problem wird besonders deutlich, wenn man die Anzahl der Nachkommen betrachtet: Laut der Forstbetriebsgemeinschaft Aiglsbach, können pro Sommer aus einem Weibchen circa 100.000 Nachkommen entstehen. Und: “Gegen den Borkenkäfer kann man nicht viel tun”, sagt Dr. Christian Kölling vom Forstamt in Roth, “befallene Bäume können nur noch gefällt werden.” Große Schneisen entstehen. Was dies mit den Preisen am Holzmarkt macht, ist klar: “Denn auch die Kapazitäten in den Sägewerken sind begrenzt”, so Michael Müller, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land.
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Und nun? Alles Mist? Nunja, rosig sieht es nicht aus. Im Gegenteil: Handeln ist dringend nötig, wenn wir den für unser Überleben wichtigen Baumbestand erhalten wollen, besser gestern als heute – von uns allen. “Mindestens die Hälfte aller Fichten und Kiefern wird 2050 weg sein”, ist sich Dr. Christian Kölling vom Forstamt in Roth sicher. “Hoffentlich sind die ersten neuen Baumarten bis dahin angewachsen und in unserem Wald zuhause.”
Nürnbergs next Top-Baumarten
Denn genau das versuchen Förster:innen derzeit allerorten. Zusammen mit der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (kurz: LWF), der Forschungseinrichtung der Bayerischen Forstverwaltung, testen, berechnen und bewerten sie, welche Arten in unseren wärmer werdenden Gefilden eine Zukunft haben könnten. Nürnbergs next Top-Baumarten sozusagen.
Zwei Ansätze werden hierbei verfolgt: “Sie unterscheiden sich im Ausgangspunkt: Beim Raum-Zeit-Ansatz überprüfen wir ausgehend von unserem Ort, welche anderen Regionen bereits jetzt das Klima haben, welches wir mit der Klimaerwärmung in der Zukunft erwarten, und welche Bäume dort wachsen. Bei der Art-Verbreitungs-Modellierung unterdessen gehen wir von den Baumarten aus: Welche Arten sind für welches Klima typisch und wie groß oder besser gering ist das Anbaurisiko für unsere Gegenden. Weil wir keine Zeit verlieren können, betreiben wir beide Ansätze parallel”, sagt Wolfgang Falk, wissenschaftlicher Projektleiter am LWF.
Die Arbeit von ihm und seinen Kolleg:innen findet vorrangig am Computer statt – Datenanalyse, Prognosen, Wahrscheinlichkeitsrechnung. Gefüttert und stetig angepasst wird damit das digitale Informationssystem, das Berater für den Waldumbau beispielsweise in den bayerischen Forstämtern nutzen. “Wir haben 32 Baumarten bewertet, nach Klima, Boden et cetera und Bedingungen genannt. Die Berater können damit und zusammen mit dem jeweiligen Waldbesitzer aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten im Gelände vor Ort leicht ersehen, welche der im Modell möglichen Bäume am ehesten erfolgversprechend sein könnten”, schildert Wolfgang Falk vom LWF.

Beim Szenario “RCP2.6” (ganz links im Bild) bleibt der Temperaturanstieg unter dem Zwei-Grad-Ziel, auf das sich Regierungen international verständigt haben. Im mittleren Szenario RCP4.5 erreicht die Erwärmung 2,6 °C gegenüber dem vorindustriellen Wert. Beim Szenario “RCP8.5” (ganz rechts im Bild) beträgt der Anstieg der globalen Mitteltemperatur bis zum Jahr 2100 etwa 4,8 °C im Vergleich mit dem vorindustriellen Zustand. Darstellung: Dr. Christian Kölling/AELF Roth
Wir haben es selbst in der Hand
Doch es bleibt ein Kampf gegen Windmühlen, wie dr. Christian Kölling vom AELF Roth sagt: “Der Wald alleine schafft es nicht, sich an die neuen klimatischen Verhältnisse anzupassen und wir können nicht den ganzen Reichswald austauschen.” Was also tun? Die traurige, drastische Antwort gibt Dag Encke vom Tiergarten: “Gesund streicheln können wir den Wald nicht.” Und auch eine rein lokale Lösung wird es nicht geben.
Baumarten für den Wald der Zukunft









Fotos: XXXX, Alexandra Haderlein
Das größte Problem ist laut Dr. Christian Kölling vom AELF Roth der viel zu hohe CO₂-Ausstoß von jedem einzelnen von uns, durch den die Temperaturen immer weiter ansteigen. Dr. Klaus Köppel vom Umweltamt der Stadt Nürnberg berichtet von einer “eindeutigen Tendenz”: “Die Temperatur nimmt seit mehr als 20 Jahren zu.” Und der Forstamts-Leiter Kölling ergänzt: “Wenn wir so weitermachen, reicht das, was wir 2020 für den Waldumbau bis 2050 getan haben, nicht mehr.” Eigentlich darf die CO₂ auch keine Kann-Forderung sein, sondern muss auch (die Betonung liegt auf dem “auch”) “politisch und wirtschaftlich vorangetrieben werden”, so Dr. Christian Kölling vom AELF Roth.
Wer mit Holz baut, spart CO2 ein
Da setzt auch die Stadt Nürnberg mit ihrer Waldstrategie an. Ein Kernpunkt darin: “Alle städtischen Bauvorhaben [sollen] auf ihr Potenzial für den Einsatz von regionalem Holz als Bau- oder Dämmmaterial” geprüft werden. Denn dadurch wird automatisch weniger Beton, Plastik und anderes Baumaterial benötigt/ hergestellt und zugleich speichern verbaute Bäume weiterhin das Kohlenstoffdioxid, das sie im Laufe ihres Lebens aufgenommen haben.
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Wie das Bauen mit Holz aussehen kann, zeigen in Nürnberg die neue Energie- und Umweltstation am Wöhrder See oder der Passivhaus-Anbau am Neuen Gymnasium. Weil nicht alles an Holz verbaut werden kann, ist die regenerative Energiegewinnung in Biomasse-Anlagen der N-Ergie oder auch der Tiergarten intern mit Hackschnitzeln eine weitere Form nachhaltiger zu agieren.
Mehr hat die Politik nicht drauf?
Auf kommunaler Ebene hat die Stadt nur begrenzte Möglichkeiten. “Der Großteil des Reichswaldes gehört den Staatsforsten”, erinnert Dr. Klaus Köppel vom Nürnberger Umweltamt. Deshalb wolle man in Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Tiergarten diesen als Vorzeigeprojekt nutzen, waren sich die Verantwortlichen in der Umweltausschussitzung im Oktober einig. Ein weiterer Ansatz ist der integrierte Klimafahrplan der Stadt Nürnberg, der sich aber nicht nur um den Wald kümmert. Was Dr. Klaus Köppel, dem Leiter des Umweltamtes bei alledem wichtig ist: “Es muss um Klimaschutz und Klimaanpassung gehen. Da sollte es kein Entweder-oder geben, sondern es muss ein Sowohl-als-auch sein.”
Und auf bayerischer Ebene: Die Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Michaela Kaniber (43; CSU) ist für das wirtschaftliche und ökologische Wohlergehen von etwa 2,5 Millionen Hektar Wald des Freistaates zuständig. Nach dem erfolgreichen Volksbegehren “Artenvielfalt” hat die Landesregierung (CSU und Freie Wähler) im Juli 2019 die dortigen Forderungen in ein neues Naturschutzgesetz übernommen. Um die grüne Wählerklientel zurückzugewinnen, wirbt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun auch stärker für den Klimaschutz. In seiner Neujahrsansprache 2020 bezeichnete er den Klimawandel sogar als „vielleicht größte Aufgabe unserer Zeit”. Gemeinsam mit Forstministerin Michaela Kaniber und der restlichen Staatsregierung verkündete er nach der Kabinettssitzung am 30. Juli 2019, dass Bayern im Zuge seiner Klimaschutzoffensive als erstes Bundesland bis 2050 klimaneutral werden soll – und zwar schon bis spätestens 2040.
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Zusätzlich dazu hat die Forstministerin Michaela Kaniber ein Acht-Punkte-Programm für einen stabilen, zukunftsfähigen Wald verabschiedet. Er besagt unter anderem, dass eine Wende von einem Wirtschaftswald hin zu einem Klimawald angestrebt werden soll. Das bedeutet, dass erwirtschaftete Überschüsse der bayerischen Staatsforsten nicht mehr in die Staatskassen fließen, sondern direkt für den Umbau der Wälder verwandt werden. Bis 2032 sollen so jährlich 7000 Hektar in klima-tolerante Mischwälder mit mindestens vier Baumarten umgebaut werden. In den nächsten fünf Jahren plant die Landesregierung im Zuge dessen insgesamt etwa 30 Millionen neue Bäume zu pflanzen.
Der Waldklimafonds des Bundes
Auch auf Bundesebene tut sich was: Die Wälder sind neben Ozeanen und Mooren die größten Kohlenstoffspeicher weltweit und machen mit etwa elf Millionen Hektar ein Drittel der Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschlands aus. Klar, dass dem Wald da beim Endämmen der klimaschädlichen Treibhausgase bis 2050 (Ziel der Bundesregierung: um 80 Prozent unter das Niveau von 1990) ein besonderes Augenmerk bekommt. So wurde 2010 zum Beispiel der Waldklimafonds verabschiedet. Er förderte seit 2013 bislang 198 Projekte zum Erhalt und Ausbau unserer Wälder als CO₂-Reduktor. Schwerpunkte des Waldklimafonds ist die Anpassung der Wälder an den Klimawandel, Sicherung der Kohlenstoffspeicherung und die Nutzung von Holzprodukten (Baumaterial, Möbel, Papier…). Die bisherige Gesamtfördersumme beträgt circa 65 Millionen Euro.
Außerdem fördern Bund und Freistaat Beratungsangebote oder schaffen finanzielle Anreize zur Bewirtschaftung des Waldes, beim Wegebau, bei forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen oder freiwilligen Naturschutzmaßnahmen.
Und nun?
Die andauernden Hitzeperioden schreibt Dr. Christian Kölling vom AELF Roth – wie die weiteren interviewten Experten – dem Klimawandel zu: “Er ist derzeit das größte Problem des Waldes. Der Wald ist ein langsames System: Bäume brauchen in der Regel 20 Jahre um zu wachsen. Der Klimawandel dagegen ist sehr schnell. Das geht nicht zusammen.”
Von der Lieferung aus dem Onlineshop bis hin zum Fahren des spritfressenden Riesenautos (hier ein Test der Naturschutzorganisation WWF, um den eigenen ökologischen Fußabdruck, sprich: den individuellen CO₂-Ausstoß, herauszufinden): Solange wir über unsere Verhältnisse leben, wird sich die Erde weiter erwärmen – und den Wald als Lebensraum für Tiere, Pflanzen aber auch Lebensspender für uns verändern, ja, womöglich sogar zerstören.
Es sind also wir gefragt, unseren Teil dazu beizutragen, dass es den Wald um uns herum auch morgen noch gibt. Der SPD-Stadtrat Gerhard Groh zitierte in der Oktober-Sitzung des Nürnberger Umweltausschuss deshalb den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama: “Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird. Aber wir sind die letzte Generation, die etwas dagegen tun kann.”
Ein Kommentar
Hallo!
Vuelen Dank für den Artikel! Ich möchte gerne auf etwas hinweisen, was die Forstwirtschaft gerne verschweigt.
Im Text heißt es:
“Bis 2032 sollen so jährlich 7000 Hektar in klima-tolerante Mischwälder mit mindestens vier Baumarten umgebaut werden. In den nächsten fünf Jahren plant die Landesregierung im Zuge dessen insgesamt etwa 30 Millionen neue Bäume zu pflanzen. ”
Das klingt toll, aber:
Der Staatsforst durchforstet zur Zeit sehr massiv, als Erklärung gibt er Baumschäden an. Dabei fallen auch alte Buchen, die man gerade dringend bräuchte, um im Wald für Beschattung und natürlichen Jungwuchs zu sorgen. Gerade weil Privatwaldbesitzer*innen zur Zeit sehr viel fällen, müsste der Staatsforst hier das Gegenteil tun, tut er aber leider nicht.
Die starke Auslichtung hat zur Folge, dass die Wälder noch mehr Feuchtigkeit verlieren, also noch stärker austrocknen. Flächen erst entwalden und dann aufforsten heißt, dass diese Flächen für die nächsten Jahrzehnte per Definition kein Wald sind. Hier von Klimawald zu sprechen ist zynisch, denn Wald ist das erst in 100 bis 150 Jahren wieder.
Es geht nicht nur darum, neue Bäume zu pflanzen, sondern vor allem darum, alte Bäume und Waldflächen als Wald zu erhalten. Wald bedeutet: Dichtes Kronendach, und nicht massive Durchforstung mit Harvestern, die den Boden verdichten, so dass er noch weniger Feuchtigkeit speichern kann.
Ebenfalls zynisch ist es, wenn “4 Baumarten” als so großartig dargestellt werden. In unseren Wäldern sind – je nach Standort natürlich – an die 20 heimische Gehölzarten zu Hause. Gerne kann ich hier eine Auflistung schicken. Nach wie vor denkt der Staatsforst “FORST-WIRTSchAFTlich”, und nicht ernsthaft “Wald”, auch wenn die Begriffe Wald und Forst gerne als Synonym verwendet werden.
Vielerorts wird bei den Anpflanzungen auf Amerikanische Roteichen und Douglasien gepflanzt. Das wird kein Wald, sondern bleibt – wie die Fichtenmonokulturen – ein Waldacker. Es geht um die zukünftige Wirtschaftlichkeit des Waldes. Natürlich brauchen wir auch Holz als Baustoff. Aber wie im Artikel beschrieben, brauchen wir eben ein Sowohl-als auch. Die Fortswirtschaft denkt hier nach wie vor nicht ausreichend zukunftsorientiert.
Wir brauchen den Wald außerdem nicht nur für den Klimaschutz, sondern er ist auch für die Artenvielfalt von enormer Bedeutung. Aufforstungen mit nur 4 Baumarten und Roteiche und Douglasie werden dem in keinster Weise gerecht.
Eine #Waldwende und ehrliche Klimaschutzpolitik, die auch den massiven Artenschwund und die Wasserrückhaltefähigkeit und die Grundwasserbildenden Funktionen des Waldes berücksichtigt, sieht anders aus!
Herzliche Grüße
Sabine Ratzel