Abgesehen vom Fußball sind die Olympischen Spiele die wichtigsten internationalen Wettbewerbe in den meisten Sportarten. Im Vergleich mit anderen Ländern winken Top-Athleten, die sich Gold-, Silber- oder Bronzemedaillen erkämpfen, allerdings nur geringere Prämien für ihren Olympia-Erfolg. Das stößt mit Taliso Engel auch einem Nürnberger Sportler auf. Was in Zukunft anders laufen könnte, um Athletinnen und Athleten in der Region und in ganz Deutschland zu unterstützen.
Dass Simone Biles die beste ihres Fachs ist, daran ist spätestens seit ihrem jüngsten Olympia-Erfolg nicht mehr zu zweifeln. Die US-amerikanische Turnerin gewann in Paris 2024 vier Medaillen, insgesamt nennt sie jetzt elf olympische Edelmetalle und ganze 30 WM-Trophäen ihr Eigen. Klar ist, dass sich Biles kaum über zu wenig Geld beklagen dürfte, dennoch sind die Siegprämien für Olympia-Medaillen gern gesehen: Die USA zahlen für einen Gold-Erfolg 37.500 US-Dollar. Hätte Biles auch in der Vergangenheit den Prämiensatz aus 2024 allein für ihre sieben Goldmedaillen erhalten, wären so also bereits 262.500 Dollar zusammengekommen. Das ist weniger, als so mancher Staat in der Pariser Ausgabe der Spiele für eine einzige Goldmedaille ausschüttet: Hongkong zahlt für eine Goldmedaille 768.000 US-Dollar und ist damit absoluter Spitzenreiter. In Italien sind es immerhin noch 193.410 Euro. Wieder andere Länder steuern Wohnungen oder sonstige Prämien bei, in Südkorea entfällt zum Beispiel die Wehrpflicht.
Von Summen, wie sie in Hongkong oder Taiwan gezahlt werden, können deutsche Olympionikinnen und Olympioniken allerdings nur träumen. Deutsche Athletinnen und Athleten erhalten für einen Golderfolg eine Summe von 20.000 Euro, bei Silber sind es 15.000, bei Bronze 10.000 Euro. Insgesamt werden in Deutschland allerdings die ersten acht Plätze prämiert. Dabei handelt es sich bei keiner der Prämien um staatliches Geld, stattdessen wird das Programm durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe finanziert. Die ist rein privat organisiert, zu den Förderern zählen Großunternehmen wie Mercedes-Benz, die Deutsche Bank, die Telekom, die Deutsche Post, das Versicherungsunternehmen Generali und die Unternehmensberatung PWC. Über das Jahr hinweg schüttet die Sporthilfe zwar 20,2 Millionen Euro an deutsche Sportlerinnen und Sportler aus, zu denen auch 8,8 Millionen aus staatlichen Mitteln stammen – die 2,1 Millionen Euro, die extra für Olympia reserviert sind, kommen allerdings ohne staatliche Förderung aus.
Die finanzielle Situation von Athletinnen und Athleten in verschiedenen Ländern führt dazu, dass viele bei Olympia mit unterschiedlichen Voraussetzungen starten. In den sportbegeisterten USA hat die Sportförderung einen besonderen Stellenwert. Die College-Liga NCAA zieht teilweise sogar mehr Besucherinnen und Besucher an als die professionellen Ligen. In Deutschland sind viele Spitzensportlerinnen und -sportler in ein größeres Organisationgeflecht außerhalb ihrer Sportart eingebunden. In Tokio waren 45 Prozent der Teilnehmenden aktuelle oder ehemalige Studierende – wobei die Studiengänge oft nicht auf die Bedürfnisse des Spitzensports ausgelegt sind. Auch den Weg über die Bundespolizei oder die Bundeswehr gehen viele. Um bei der Bundespolizei Topsportler zu werden, muss man allerdings schon im Nationalkader stehen, wie die Sportschau erfahren hat. Vor allem für den Nachwuchs ist es damit schwerer, in die höchsten deutschen Sportränge aufzusteigen.
Kritische Stimme aus der Region
Die vergleichsweise geringe Prämierung ist ein Umstand, der auch in der Region für Furore sorgt. Taliso Engel, einer der erfolgreichsten Para-Schwimmer Deutschlands und Goldmedaillen-Gewinner von Tokio, machte jüngst in seiner Instagram-Story auf die im Vergleich ausbaufähigen Prämien für Spitzensportler aufmerksam. „Vom Staat kommt, was die Medaillenprämien angeht, leider einfach viel zu wenig bis gar keine Unterstützung“, erklärt der Profi. In anderen Ländern würden die Prämien direkt vom Staat kommen und müssten nicht von einer Stiftung ausgeschüttet werden. Taliso Engel sieht deshalb auch primär die Politik in der Verpflichtung, mit der Arbeit der Sporthilfe im Rahmen ihrer finanziell begrenzten Möglichkeiten ist er zufrieden.. „Ich kann glaube ich für viele Athleten sprechen, dass die Sporthilfe echt einen mega Job macht“, sagt er.
Sollte der Staat also hier mehr investieren? Wenn es nach Benjamin Jung geht, dem Sprecher der Nürnberger Sportförderung Der Goldene Ring, dann ja: „Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei der Förderung von olympischen und paralympischen Topathleten hinterher“, erklärt er. Die Unterstützung durch die Sporthilfe und einige länderspezifische Förderinstitutionen wie die Bayerische Sportstiftung würden oft lediglich ausreichen, um die leitungssportbedingten Ausgaben zu decken. „Es ist eher Regel als die Ausnahme, dass ein erfolgreicher Athlet aus einem Nischensport nach seiner Karriere mit leeren Händen dasteht. Wer sich dann nicht neben 30 bis 40 Stunden Training pro Woche noch weitergebildet hat, kommt in eine riskante Situation“, so Benjamin Jung.
Wichtiges Signal auch an Kinder und Jugendliche
Er sieht es als wichtig an, dass Institutionen wie sein Goldener Ring die entstehende Lücke mit weiterem Geld zu verkleinern versuchen. „Schließen können wir sie alleine nicht“, ist sich der Nürnberger Sportförderer sicher. Wie auch andere Organisationen sieht er die Politik in der Pflicht, hier auszuhelfen. Die Sichtbarkeit für den Sport, die Athletinnen und Athleten auf Großevents wie den Olympischen Spielen herstellen, sei nämlich ein wichtiges Signal auch in die Gesellschaft hinein. Profis könnten eine Vielzahl an Kindern und Jugendlichen motivieren, selbst einmal aktiv zu werden. Dass das klappt, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. In den 1980er- und 1990er-Jahren lösten Steffi Graf und Boris Becker einen regelrechten Tennis-Boom aus, die Zahl der Mitglieder im Deutschen Tennis-Bund lag Mitte der 90er bei 2,3 Millionen Spielern – 2023 waren es nur noch 1,4 Millionen.
Benjamin Jung sieht eine Reihe an gesundheitlichen und sozialpolitischen Vorteilen, die mit regelmäßiger sportlicher Aktivität in der Bevölkerung einhergehen. „Der Bund und die Länder könnten sich sehr viel Geld im Gesundheits- und Bildungsbereich sparen, wenn sie die Förderung der Spitzensportler ausbauen und ihre Rolle in der Gesellschaft stärken würde“, meint er.
So fördert Nürnberg seine Spitzensportlerinnen und -sportler
Neben dem Goldenen Ring ist das Thema Sportförderung auch in Stadtverwaltung und -politik vertreten. Mit dem Team Nürnberg sollen der Nachwuchs im Leistungssport sowie Breitensportprojekte unterstützt werden. Geförderte Teams erhalten 100 Euro pro Monat, Einzeltalente 50 Euro. Darüber hinaus ist an der Bertolt-Brecht-Schule auch das Haus der Athleten angesiedelt. Im Sportinternat sind 44 junge Athletinnen und Athleten untergebracht.
Bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe sieht man unterdessen aktuell erste Anzeichen, dass die Bedeutung der Sportförderung auch in der Politik weiter wächst. „Wir freuen uns sehr, dass der Bund in seinem aktuellen Regierungsentwurf für den Haushalt 2025 ein äußerst positives Zeichen für die Athletenförderung gesetzt hat, indem der Ansatz auf dem hohen Niveau des aktuellen Jahres 2024 verbleibt“, teilt Thomas Berlemann, Vorstandsvorsitzender der Sporthilfe, mit. Das sei ein wichtiges Signal in Richtung Nachwuchs- und Spitzensport.
Ist deutsches Olympia 2040 eine Möglichkeit?
Außerdem: Die Sporthilfe stuft die deutsche Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahr 2024 als positives Signal ein. „Durch eine Bewerbung werden die Werte Leistung, Fairplay und Miteinander wieder verstärkt in die Gesellschaft getragen”, meint Thomas Berlemann und stößt damit in das gleiche Horn wie Benjamin Jung. In Deutschland startet jetzt eine Maschinerie, die etwa 6,95 Millionen Euro von 2024 bis 2027 kosten soll. Ob Deutschland dann wirklich wieder ein Olympia-Austragungsort wird, das entscheidet sich erst in einigen Jahren. Und auch, ob Nürnberg einen oder mehrere der Wettkämpfe austragen wird, steht noch in den Sternen. Zumindest aber gehört der Freistaat Bayern neben Nordrhein-Westfalen zu den zwei Bundesländern, die sich explizit für den Olympiabewerbungsprozess ausgesprochen haben – genauso wie die Stadt München. Nicht zuletzt wird das Max-Morlock-Stadion ja auch deshalb so aufwendig renoviert, um wieder Platz für internationale Groß-Veranstaltungen zu machen. Dort hat sich der Stadtrat bewusst für die größte Option ausgesprochen.
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