Deine Nachbarin, Deine Freundin oder Deine Kollegin, jede Frau kann Opfer von Gewalt sein. Nur bekommen wir das meist nicht mit. In unserer neuen Podcast-Folge „Nürnberg morgen“ erklärt Sabine Böhm- Burmann von der Frauenberatung Nürnberg im Gespräch mit Lea Maria Kiehlmeier, wie Betroffene Hilfe finden, warum Prävention so wichtig ist und welche Rolle wir als Gesellschaft spielen können.

Gerade an Weihnachten und Silvester steigt die Zahl der Übergriffe im häuslichen Umfeld dramatisch an. Doch Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist kein Thema, das nur an Aktionstagen oder zu bestimmten Zeiten im Jahr Aufmerksamkeit verdient. Es ist ein allgegenwärtiges Problem, das uns alle betrifft.
Allein 2023 wurden 180.715 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt. 52.330 weibliche Opfer erlebten im selben Jahr sexuelle Gewalt. Darunter fallen Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Übergriffe, Belästigung und Missbrauch. Fast jeden Tag fand ein Femizid statt. Das bedeutet, dass eine Frau getötet wurde, weil sie eine Frau ist. Die Zahl der versuchten Femizide lag bei 938. Unter geschlechtsspezifische Gewalt fällt nicht nur körperliche Angriffe, sondern auch psychische Gewalt wie Überwachung, Kontrolle, Isolation oder Demütigung.
In dieser Folge spreche ich mit Sabine Böhm-Burmann, der geschäftsführenden Vorständin der Frauenberatung Nürnberg. Seit über 40 Jahren setzt sich die Frauenberatung dafür ein, Gewaltbetroffene zu unterstützen, politische und gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen und umfassende Prävention zu leisten.
Hier hörst Du die Podcast-Folge in voller Länge:
Lea Maria Kiehlmeier: Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, dass sie das Thema nicht betrifft. Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. Potenziell kennt jede Person mindestens eine Betroffene, oder?
Sabine Böhm-Burmann: Wir kennen alle Täter und Opfer. Wir wissen vielleicht nur nicht, dass sie welche sind. Das ist ein gut gehütetes Geheimnis. Wir wissen, dass in unglaublich hoher Prozentsatz von Frauen, die davon betroffen sind, ihr Leben lang nichts sagen. (…) „Ich traue mich nichts zu sagen. Ich gehe davon aus, dass mir nicht geglaubt wird. Ich habe große Angst, wie mein Umfeld reagiert.“ Wir haben immer noch diesen Mythos der Mitschuld. Eine Person, die Partnerschaftsgewalt erleidet, hätte irgendwas getan, um diese Gewalt herauszufordern.
Das ist eines der wirklich übelsten Vorurteile, die es gibt. Und das hält sich unglaublich hartnäckig und viele Frauen, die zu uns kommen, sagen „Ich bin froh, dass ich hier drüber sprechen kann, aber niemals würde ich es meinem sozialen Umfeld sagen, niemals würde ich zur Polizei gehen, weil ich damit rechne, dass ich und nicht der Täter ausgestoßen wird.“

Lea Maria Kiehlmeier: Wir sprechen bei dem Thema natürlich viel über Frauen, weil sie öfter Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt sind. Gibt es etwas, was Männer explizit auch tun können, um Frauen zu unterstützen?
Sabine Böhm-Burmann: Ganz einfach gesagt, Männer müssten ihre Komplizenschaft mit den Tätern aufgeben. (…) Männer decken Männer immer wieder. Gar nicht aktiv, aber durch ihre Passivität. Wir erleben auch immer wieder, dass wenn Männer den Tätern sozusagen in die Arme fallen und sagen „Hey, wie sprichst du mit deiner Frau? Findest du das cool? Ich nicht.“ Das hat so viel mehr Wirkung und deshalb würden wir uns wirklich wünschen, dass Männer in großer Zahl das für ein ganz normales Verhalten halten und diese Komplizenschaft aufkündigen. Weil, solange wir die haben, wird sich grundlegend nichts ändern.“
Brauchst Du Hilfe? Hier findest Du Beratungsstellen:
Frauenberatung Nürnberg: https://frauenberatung-nuernberg.de/
Weitere Angebote in Nürnberg. https://www.nuernberg.de/internet/gleichstellung/gegen_gewalt.html
Bundesweites Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: https://www.hilfetelefon.de/