Nürnberg und Bio – ein Realitätscheck

Veröffentlicht am 16. Februar 2024
Zuletzt aktualisiert am: 5. Juni 2024

Nürnberg rühmt sich gerne als Bio-Hauptstadt, gerade wenn die BIOFACH zu Gast ist. Aber was ist dran an diesem hohen Anspruch? In seiner Kolumne begibt sich unser Autor Frank Braun, Change-Manager und Klima-Pionier, auf Spurensuche in Sachen Bio in Nürnberg.

Jeden Februar wird Nürnberg wieder zur Bio-Haupstadt, denn dann ist Biofach. Die Biofach ist Weltleitmesse und der weltweit größte Kongress der Bio-Community. Aber nicht nur im Februar will Nürnberg in Sachen Bio Leuchtturm und Vorreiter sein. Nürnberg war eines der Gründungsmitglieder im Bio-Städte-Netzwerk, die Stadt organisiert seit Jahren zur Biofach den Kongress „Stadt, Land, Bio“ und bis 2022 lud die Stadt im Sommer auf den Hauptmarkt zu „Bio erleben“ ein. Wo steht Nürnberg in Sachen Bio gerade?

Zur Biofach hält Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König traditionell als Gastgeber die Eröffnungsrede. Hier beim Meet and Greet vor der Eröffnung – Peter Ottmann, CEO, NürnbergMesse Group; Cem Özdemir, Bundeslandwirtschaftsminister; Marcus König, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, von links, Foto: NürnbergMesse / Thomas Geiger

Die Messe Nürnberg ist eine der 15 größten Messegesellschaften der Welt mit mehr als 1000 Mitarbeiter:innen. Neben der Spielwarenmesse dürfte die Biofach wohl das bekannteste Gesicht der Nürnberger Messeprofis sein. Hauptgesellschafter sind der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg. Oberbürgermeister Marcus König (CSU) eröffnet daher auch in guter Tradition als Gastgeber die Biofach. Zur Kür gehört aber eben auch die Pflicht, hat sich Nürnberg doch als Bio-Stadt ambitionierte Bio-Ziele gesetzt, die sie bis 2026 umsetzen will. Auf der Webseite der Bio-Metropole Nürnberg zeigen sich die Verantwortlichen selbstbewusst. „Seit 2003 setzt die Stadtspitze auf Bio und hat seither viel bewegt: es gibt immer mehr ökologische Lebensmittel in Kitas, Kantinen, auf Märkten und bei Veranstaltungen“, ist da zu lesen und weiter „Nürnberg nennt sich somit zurecht Biometropole. Leben Sie diesen Gedanken mit und seien Sie ein Teil davon!“

Die Stadt Nürnberg als Bio-Pionier

In der Tat, Nürnberg war als Kommune eine der Pionierinnen, um das Thema Bio in der Stadtverwaltung zu verankern. Im Biostädte Netzwerk nahm Nürnberg von Beginn an eine tragende Rolle ein und ist derzeit auch Geschäftsführerin des Netzwerks. Derzeit gibt es 27 Biostädte, darunter aus der Region auch Erlangen und Lauf. Auch auf europäischer Ebene ist Nürnberg seit 2018 Teil des Organic Cities Network Europe. Seit 2010 arbeite ich mit der Biometropole eng zusammen, bis Ende 2018 als Vorstand von Bluepingu, jetzt als Vorstand des übergeordneten Dachverbandes der Transition Towns (Städte im Wandel) in Deutschland, Österreich, Schweiz. Gemeinsam mit der Messe Nürnberg haben wir 2010 das öffentliche Begleitprogramm „Biofach trifft Nürnberg“ entwickelt um den Glanz der Biofach, die nur Fachbesucher:innen zugänglich ist, auch für Menschen aus der Region sichtbar zu machen. Das Saatgutfestival, das seit 2012 stattfindet, ist der sichtbarste Bestandteil dieses jährlichen Veranstaltungsprogramms.

Innovation made in Franken – Bio-Unternehmen in der Metropolregion sind gut aufgestellt

Auch in Sachen Bio-Unternehmen hat die Region viele Pioniere hervorgebracht. So hat der Öko-Mode-Vorreiter Glore (Globally Responsible Fashion) seine Wurzeln hier in Nürnberg. Mit ebl naturkost haben wir seit 1994 eine der führenden Bio-Supermarktketten in der Region, die einst im Nürnberger Norden gegründet wurde, vor einigen Jahren aber ihren Sitz nach Fürth verlegt hat. Heute gehören 30 Märkte, eine eigene Metzgerei, ein Zentrallager und eine Großküche zum Unternehmen. Das Unternehmen ist gerade mit seiner hauseigenen Metzgerei ein Pionier in Sachen Tierwohl und Fleischverarbeitung. 

Mit der Initiative 30plus30 werden bayernweit 30 leuchtende Handlungsbeispiele ausgezeichnet. Bio-Landwirt Markus Eckert wurde für seine innovative Hopfenproduktion auf der Biofach 2024 ausgezeichnet (von links Hubert Bittlmayer, Amtschef im Bayerischen Landwirtschaftsministerium und Markus Eckert). Foto: Frank Braun

Einer der Partner von ebl naturkost, der Biohof Eckert GbR aus Eckental, wurde im Rahmen der Biofach 2024 für den Bau einer Biohopfenverarbeitung und eines Biohopfenkühllagers ausgezeichnet. Die Initiative „30 für 30“ zeichnet bayernweit 30 Betriebe für ihre Leuchtturmprojekte in Sachen Bio aus. Die Biohopfenverarbeitung von Markus Eckerts Betrieb ist besonders, denn so kann der Betrieb die Wertschöpfung rund um seinen Hopfen in der Region halten. Mit diesem Ansatz braucht der Betrieb keine Säcke mehr, alleine diese Maßnahme spart eine Tonne CO2 ein. Auch kann der Hopfen nach der Ernte innerhalb eines Tages verarbeitet werden. Möglich geworden ist dieses Projekt durch die langjährige Partnerschaft mit einem weiteren Bio-Pionier in der Region: Neumarkter Lammsbräu. Ich könnte die Liste noch weiter fortsetzen. Es kommen aber beständig neue Nürnberger Jungunternehmer nach, wie beispielsweise die Nusseckenmanufaktur von Kai Küfner, die zeigt, dass es auch heute noch eine lebendige Bio-Unternehmer-Szene in der Stadt gibt. 

Die Stadt Nürnberg hat sich in Sachen Bio ambitionierte Ziele gesetzt

Nicht zuletzt hat die Großstadt Nürnberg auf dem Stadtgebiet auch noch eine Besonderheit zu bieten, da es mit dem Knoblauchsland landwirtschaftliche Flächen im Stadtgebiet hat. So etwas haben nur wenige europäische Großstädte zu bieten. Laut Werner Ebert, Leiter der Biometropole im Umweltreferat der Stadt, setzen rund 30 der rund 140 landwirtschaftlichen Betriebe im Knoblauchsland zumindest teilweise auf Bio. Alles in allem klingt das nach einer runden Sache, aber leider ist der Nürnberger Bio-Express in den letzten Jahren etwas ins Stottern gekommen. So hat der Stadtrat im Oktober 2023 seine Ziele in Sachen Bio in einem Beschluss zwar erneuert, die Realität sieht aber leider anders aus. In diesem Beschluss wurden folgende Ziele für die Stadt Nürnberg festgesetzt:

Für den Zeitraum 2020 bis 2026 wurde beschlossen: 

  • Bio-Anteil in Kitas mindestens 90%, 
  • in Schulen 75% (Zwischzenziel 50% bis 2022), 
  • bei allen städtischen Einrichtungen und Veranstaltungen 50% 
  • sowie Anteil des Ökolandbaus 25%. 
Auch beim Nürnberger Christkindlesmarkt stagniert das Bio-Angebot seit Jahren, obschon vor Jahren beschlossen wurde, an allen Ständen Bio-Bratwürste anzubieten. Foto: Frank Braun

Für Bayern gilt als Zielsetzung 30% Bio-Anteil in der Landwirtschaft bis 2030. Davon ist man aber weit entfernt. Im Gegenteil, seit Jahren stagniert die Entwicklung in vielen Bereichen. So ist der Flächenanteil an Bio im Knoblauchsland seit Jahren konstant bei 13-14 Prozent und liegt damit sogar noch unter dem bayerischen Durchschnitt. Das Ziel 25 Prozent Bio bis 2026 scheint wohl kaum noch umsetzbar. In Sachen Bio-Verpflegung sind die Berufsschulen und Kitas auf einem guten Weg. Im Bereich der städtischen Betriebe sieht die Bilanz trotz jahrelanger Bemühungen eher traurig aus. Dort liegt der Bio-Anteil bei unter 10 Prozent. Auf Nachfrage bei Nürnberg Stift, einem der städtischen Tochterunternehmen, die für das Management der fünf städtischen Altenheime verantwortlich sind, wollte mir der Küchenchef Günther Lederer telefonisch leider dazu keine Auskunft geben. Auf meine schriftliche Anfrage hat das Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht reagiert. Auch das Aushängeschild „Bio erleben“ auf dem Nürnberger Hauptmarkt wurde 2022 das letzte Mal durchgeführt. Die Diskussionen, das Format „Bio erleben“ gemeinsam mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft neu zu gestalten, sind im Sande verlaufen.

Kein Bio-Angebot an Bratwurstbuden

Auch ein weiteres Aushängeschild der Stadt, der Nürnberger Christkindlesmarkt, hinkt dem Anspruch einer Bio-Metropole weit hinterher. Zwar gab es vor Jahren einen Beschluss, so sollte beispielsweise an allen Bratwurstbuden auch ein Bio-Angebot auf dem Grill liegen. Bei meinem Rundgang im Dezember 2023 sah die Realität aber leider ganz anders aus. Angeboten wurde mir Bio von keinem der Anbieter, und auf meine Nachfrage gab es so manchen zynischen Kommentar. Da gilt es nachzuschärfen und bei den Ausstellern Bewusstsein und Motivation für das Thema zu schaffen, wenn die Stadt Nürnberg dem eigenen Anspruch gerecht werden will.

Es ist also durchaus noch Luft nach oben bei der Bio-Metropole Nürnberg. Bleibt zu hoffen, dass Oberbürgermeister Marcus König, die verantwortliche Umweltreferentin Britta Walthelm (Grüne) und Biometropole-Leiter Werner Ebert in den verbleibenden zwei Jahren noch die richtigen Maßnahmen entwickeln, um Nürnbergs ambitionierte Ziele in Sachen Bio umzusetzen. Ansonsten wäre unser Status als Bio-Hauptstadt stark gefährdet. 

  • Frank Braun
    Autor:in Kolumnist für Umwelt und Nachhaltigkeit

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